Dienstag, 22. November 2011

Die VGD und Vagedes

Kurz und schmerzlos: ich bin trotz Personen wie Christian Vagedes vegan und nicht wegen. Und ich bin froh, dass ich ihm nicht über den Weg gelaufen bin, bevor ich vegan wurde, sondern erst, als ich schon für mich selbst einen Weg in ein veganes Leben gefunden habe. Wer momentan die Diskussionen zur VGD und C.V. auf Facebook, vegan.de und co verfolgt, kommt meines Erachtens nicht umhin, Stellung zu beziehen, da für mich Vegansein durchaus etwas Politisches, Öffentliches ist, so dass ich meine Haltung zu Speziesismus nicht trennen kann von meiner Position zu Kapitalismus, Rassismus, Sexismus und was es sonst noch an -ismen gibt. In den letzten Wochen gab es mehrere Punkte, die für mich Grund waren, mich von der VGD und dem Fanclub des Monsieur V. zu distanzieren: von der sexistisch konnotierten Freude über die 'positiv denkenden Amerikaner', die endlich mal ein veganes Striplokal gegründet haben, über die penetrante Selbstvermarktung von C.V. und seines sicht-Verlags, die unreflektierte Bezugnahme auf ein esoterisches und, ja, in guten Teilen rassistisches Weltbild von Rudolf Steiner, die unkritische Einladungspolitik zur veganfach, wo unter anderem die Urköstlerin Rondholz, die AIDS leugnet, mit der Segnung der VGD sprechen darf, und nicht zuletzt die mangelnde Transparenz und die fehlende Basisdemokratie innerhalb der VGD selbst, die zu einer massiven Austrittswelle geführt haben. Besonders stört mich, wie jede Form von Kritik sowohl auf facebook als auch auf vegan.de von C.V. (auf vegan.de: spacebarbar) und seinem dauerherzchenpostenden Fanclub als subversiv gebrandmarkt wird. So werden Kritiker als Hetzer, Häretiker, Komplizen der Fleischindustrie, Ignoranten, gefährliche Spione usw. bezeichnet und ungefällige Threads auch mal der kompletten Löschung anheimgegeben. Meiner Meinung nach ist der Herr narzisstisch und paranoid, aber das Thema hier soll keine Küchenpsychologie meinerseits sein, sondern ich bin einfach schockiert, wie viele Leute - immer noch - unkritisch und apolitisch gleich einer Herde von Schafen (sorry, speziesistischer Ausdruck) dieses System unterstützen, obgleich inzwischen gut dokumentiert ist, wie dieser Verein wirklich tickt. Natürlich könnte man nun argumentieren, dass man nicht alle Details kennt und dass meine Position ebenso 'biased' ist. Aber alleine der Stil (jetzt mal unabhängig von den Argumenten an sich, die eigentlich schon reichen), wie die Auseinandersetzung von Seiten der VGD geführt wird mit Löschungen, Zensur, Diffamierungen, Suggestivfragen etc., ist für mich ein klarer Grund, mich von der VGD und allem, was damit zusammenhängt, zu distanzieren. Ich bin vegan, aber auf Sekten stehe ich nicht....

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Vegan sein und Rauchen: der Kampf gegen die (Un-)Vernunft

Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gesund, so abwechslungsreich, und ja (auch wenn Omnivoren es nicht gerne hören), so lecker ernährt. Jede Woche probiere ich Neues aus, sei es, dass ich die Vielzahl an veganen Restaurants u. Cafés in Berlin mit meiner Anwesenheit beglücke, sei es, dass ich mich Samstag morgens auf einem Kreuzberger Ökomarkt wiederfinde, in meinem Korb frische Rote Beete und Wildkräuter, die gerade erst vom Feld zu kommen scheinen, sei es, dass ich sogar Rohkostexperimente mit Spirulina-Riegeln oder Frischkornbrei wage.

In meiner Küche wohnt seit kurzem der Vitamix, den ich wohl heiraten werde. Kein Mann, den ich bisher kennengelernt habe, war so handwerklich begabt u. vermochte mich so gut zu ernähren wie mein allerliebster Mixer. Grüne Smoothies gehören seither zum Standardprogramm, auch wenn meine Nachbarn sich sicher über das allmorgendliche Rattern wundern, wenn ich Spinat mit Äpfeln, Kräuter mit Kiwis u. gefrorene Himbeeren mit Rucola püriere.

Seit ich mich vegan ernähre, versuche ich außerdem, das Ganze etwas ganzheitlicher anzugehen u. beschäftige mich Themen wie Nachhaltigkeit, Müll, Fair Trade usw., was dazu führt, dass das Kokosöl nicht nur in meiner Küche steht, sondern auch im Bad (Creme!), ich mir nicht mehr Chemie, sondern Henna u. Indigo ins Haar schmiere, ich einen Großteil meiner Badezimmerprodukte eliminieren konnte zugunsten von Heilerde (Gesichtsmaske, Shampoo!) u. Aleppo-Seife (Shampoo! und, naja, natürlich Seife) usw. usf.

Hört sich alles ganz gut u. vielversprechend an. Wenn da, ja wenn da nicht die eine Sache wäre, die nicht reinpasst: Nikotin. Zigaretten. Rauch. Volle Aschenbecher. Urxxx.

Wie kann ich mich einerseits so umfassend mit all diesen Themen, die meine Gesundheit u. das Wohl der großen weiten Welt betreffen, beschäftigen, und dabei einem der unsubtilsten Laster, die es gibt, nicht widerstehen? Und das mal abgesehen von der Tatsache, dass ich natürlich weiß, dass auch die Tabakindustrie nicht nur böse-kapitalistisch ist, sondern ihre Produkte im überwiegenden Fall an Tieren getestet werden?

Viele Jahre lang war ich die typische Gelegenheitsraucherin. Mal mehr, mal weniger, mal auch wochen- oder monatelang gar nicht. Als ich 2008 für ein halbes Jahr in New York war, habe ich dort nur eine einzige Zigarette geraucht aus Angst, sicher sofort verhaftet zu werden, und außerdem gab es fast keine Rauch-Buddies dort, so dass ich es auch nicht vermisst habe. Aber als ich zurück in Berlin war, habe ich - ziemlich bewusst - ein Kontraprogramm zu amerikanischer Askese gestartet: juhuu, Europa, endlich wieder rauchen/trinken/nackt sein, ohne dass die Leute gleich anfangen, für mich zu beten. Alkohol war nie so richtig mein Ding u. wurde es auch damals nicht: trinken hieß, bei Grillparties alkoholfreies Bier zu konsumieren, das war's. Geraucht habe ich damals dann allerdings viel - vor allem konstant. Dazu kam, dass so gut wie alle meine Freunde u. Bekannten rauchen. Wenn ich das Leuten erzähle, die nicht in Berlin wohnen, glaubt mir das keiner so recht bzw. kann es sich nicht vorstellen. Vielleicht liegt es auch nur an meiner ganz spezifischen Lebenswelt u. nicht nur an der Stadt (in der man aber in der Tat sicher noch an mehr Orten weiter unbehelligt rauchen kann als in anderen deutschen Städten dieser Tage). Fakt ist, die meisten Leute, mit denen ich zu tun habe, rauchen. Rauchen ist eine bonding experience, das weiß jede_r Raucher_in. Man geht in Pausen gemeinsam raus, man steht auf Parties zusammen, die gemeinsam gerauchten Zigaretten schaffen eine Verbindung, die Nichtrauchern wohl immer verschlossen bleiben. Das Problem ist, dass viele dieser Leute um mich zwar wie ich in Gesellschaft gerne rauchen, aber wenn sie alleine sind, durchaus auch mal tagelang auf Nikotin verzichten können. So wie ich, als ich noch Gelegenheitsraucherin war.

Das war nun vorbei - ich rauchte völlig unabhängig davon, wo ich war, ob allein oder zu mehreren, ob morgens oder abends. Hallo Sucht. Als ich bei 2 Schachteln täglich und damit 300 Euro im Monat war, beschloss ich, dass das so nicht weitergeht, holte mir Nikotinpflaster u. hörte von einem auf den anderen Tag auf. Das war Anfang Juni 2011. Stolz trug ich mein Pflaster, kaute unablässig Kaugummi zur Ablenkung u. wähnte mich clean. Naja, nicht so ganz. Nach wie vor liebte ich es, frischen Rauch zu riechen, schnüffelte hinter Rauchern auf der Straße her u. ging gerne weiter mit in Raucherkneipen. Ich sah mich als trockene Kettenraucherin, nicht als Nichtraucherin.

Anfang August wurde ich vegan, auch von einem auf den anderen Tag, von Omni auf null Tierprodukt. Meinen Freunden wurde ich langsam unheimlich: keine Tiere, kein Alkohol u. jetzt auch keine Zigaretten mehr. Ich war das wandelnde schlechte Gewissen aller, wobei ich wenig richtig negative Erfahrungen gemacht habe. Vielleicht wäre das in puncto Rauchen sogar hilfreich gewesen - dann hätte ich ständig neu argumentieren müssen u. wäre standhaft geblieben. So aber normalisierte sich mein ganz u. gar neuer Lebensstil für meine Umwelt, nur ich fragte mich manchmal, ob ich wirklich nie wieder in meinem Leben eine Zigarette rauchen würde. Das erschien mir nach wie vor unvorstellbar. NIE WIEDER? Ich habe ja immer gerne geraucht, u. gäbe es ein Nikotinpendant zu alkoholfreiem Bier, das nicht so lächerlich wie eine E-Zigarette ist, ich würde es kaufen.

So, und dann hatte ich irgendwann Stress, oh wie originell, u. bat eine Freundin um eine Zigarette. Und noch eine. Und noch eine. Dann ein paar Tage Pause. Dann wieder eine. Hier eine. Und da eine. Hier zwei. Und dort vier. Und hier sechs. Und da fünf. Irgendwann glaubte ich, alle müssten von meiner Schnorrerei genervt sein, u. kaufte eine Schachtel. Und sofort, wirklich sofort, waren wieder alle alten Muster da - jetzt rauche ich wieder eine Schachtel am Tag. Heute morgen habe ich drei Zigaretten geraucht, während ich dazu drei Gläser grünen Smoothie getrunken habe. Das ist unfassbar dämlich u. absurd u. doch die traurige Wahrheit. Neulich war ich mit einer Freundin beim veganen Stammtisch im Kopps, und wir waren tatsächlich die einzigen, die regelmäßig zum Rauchen rausgingen. Irgendwie scheint es nicht zu passen. In dem Punkt ist die vegane Lebenswelt der meisten Veganer_innen wohl eine andere als die meinige (u. die meiner Freundin, die das ebenfalls ironisch bemerkte).

Heute abend habe ich mir wieder Nikotinpflaster im Internet bestellt - während ich eine Zigarette in der Hand hielt. Ich hoffe, sie sind spätestens am Samstag hier. Dann darf ich erstmal nicht mehr rauchen, weil man sonst eine Nikotinvergiftung kriegen kann. Aber was ist danach? Nach wie vor finde ich die Vorstellung absurd, dass ich nie wieder (NIE WIEDER) in meinem Leben rauchen soll/darf/will. Aber die Vorstellung, dass ich weitere 10.000 Euro oder mehr in den nächsten paar Jahren für Zigaretten ausgebe, dass ich mir meine Lungen weiter freiwillig mit Gift verkleistere, ist ebenso absurd. Ich habe versucht, mir einzureden, dass es nicht zum vegan sein passt.

Aber die Logik funktioniert nicht bei mir, und ich weiß jetzt auch warum: ich bin nicht vegan, weil es gesund ist. Das ist ein überaus positiver Kollateralschaden, aber es ist nicht der Grund. Der Grund, warum ich vegan wurde, ist der, dass ich es aus ethischen Gründen für falsch halte, Tiere zu quälen u. zu töten, weil 'es halt schmeckt', aber ich genauso gut ohne diese Qualprodukte leben kann (oder sogar noch besser). Heute mittag kam ich dann auf den grandiosen Gedanken, dass ich dann in Zukunft nur noch veganen Tabak rauchen werde (gibt es ja). Kurz danach habe ich mir die Nikotinpflaster bestellt. Ich versuche mir jetzt folgende Logik selbst einzureden: ich bin als Primatin ein menschliches Tier u. quäle mich damit selber - warum sollte für mich gut sein, was für nichtmenschliche Tiere schädlich ist? Und dann denke ich: aber NIE WIEDER??? Hilfe............

Montag, 26. September 2011

Die Würde des Schweins ist unantastbar.


Kennt ihr das Lied von Reinhard Mey? Ich finde das ja ehrlich gesagt herzergreifender und zum Nachdenken anregender als so manches brutale Video zum Thema....

Vegan wird Alltag - und ich kriege Lust auf Gesundes....

So, so langsam pendelt sich alles ein. In meiner Küche haben sich Dinge wie Hefeflocken und Senf-Rucola-Cremes und Reismilch eingelebt, ich habe mein erstes Paar veganer Schuhe bestellt und freue mich darauf, mich, wenn endlich mal Packungen leer werden, bei dm mit alverde-Kosmetika einzudecken. Ich habe Diskussionen geführt, wenn auch - bis auf sehr wenige Ausnahmen - nicht ganz so dumme, wie ich befürchtet habe (von der Bibel bis zur Attraktivität veganer Männer wurde alles zum Thema gemacht). Ich war mehrmals in veganen Restaurants/Cafés essen und Kaffee trinken (danke danke, Berlin :) ). Ich habe viele tolle und manch eine sinnlose Diskussion auf Facebook geführt und dabei realisiert, dass es in dieser Szene mindestens so viele ideologische Flügel inkl. Feindschaften gibt wie in jeder großen Partei. Und ich habe langsam keine Lust mehr, Bücher zu lesen, sondern bin ganz froh, dass langsam auch wieder Alltag einkehrt.

Nach wie vor liebe ich es, hier im Netz die verschiedenen Blogs (siehe Blogroll), viele von ihnen grandios, sowohl inhaltlich als auch vom Design her, zu lesen. Deshalb schreibe ich wohl so wenig hier - ich habe das Gefühl, alles ist schon einmal geschrieben, beschrieben, diskutiert, fotografiert worden, und das viel schöner, als ich es gerade könnte. Nichtsdestotrotz finde ich das Interaktive der Blogs toll und habe das Gefühl, manche der Personen ein klitzekleines bisschen zu kennen, auch wenn ich sie nie getroffen habe u. sie nicht wissen, wer ich bin. Mein früherer Blog (breakfastcancelling.blogspot.com) hat mir damals viel Spaß gemacht, aber das war ja eher eine Art Tagebuch für mich selbst. Und so ähnlich werde ich es hier auch handhaben, immer mal wieder Gedankensplitter, aber konstant Rezepte inkl. Fotos posten schaffe ich einfach gerade nicht.

So, die Gedankensplitter heute wären dann:

Ich kriege plötzlich Lust auf gesundes Essen. Versteht mich nicht falsch, ich habe immer schon abwechslungsreich gegessen u. gerne gekocht. Aber gerade kriegt das eine neue Qualität. Ich kriege Lust auf so Dinge wie Äpfel u. Kohlrabi. Das ist mir früher abgegangen, diese ganz klare Lust auf was Knackiges, Frisches - Rohkost mochte ich eh nie besonders, weder in Obst- noch Gemüseform. Jetzt esse ich ernsthaft rohe Rote Beete.... Bei Ersatzprodukten ist fast das Gegenteil der Fall: ich habe mir letzte Woche eine an für sich sehr leckere Chorizo-Sojawurst gekauft, die vom Geschmack her nah am Original war. Und deshalb konnte ich sie fast nicht aufessen, so wurstig hat sie geschmeckt. Wenn ich im veganen Supermarkt vegane Entenbrust in brauner Sauce sehe, schüttelt es mich ebenfalls  - verschwindet das irgendwann, und die Sehnsucht kommt zurück? Keine Ahnung. Selbst auf Tofu habe ich immer weniger Lust u. mache lieber was mit Hülsenfrüchten wegen der Proteine. Auch der Heißhunger auf Choco Reale-Aufstrich hat merklich nachgelassen. Naja, vielleicht ändert sich das genauso schnell wieder, wie es gekommen ist, ist ja alles noch sehr frisch auch für meinen Körper u. die Gelüste :) Was ich jedenfalls - trotz des horrenden Preises - jetzt schnell bestelle, ist ein Vitamix, all die begeisterten Blogberichte (und ich habe VIELE gelesen darüber) haben mich überzeugt.

Gedankensplitter 2: Das lehnt sich an das an, was ihr zu meinem letzten Post kommentiert habt bezüglich des Käsezwischenfalls. Je mehr ich mit dem Thema vegan leben beschäftige, desto überzeugter bin ich davon, aber desto kritischer bin ich auch, wenn ich sehe, wie manche Leute das als einen Ersatz für eine dogmatische Religion benutzen (bekannte Aktivisten nicht ausgeschlossen.....), wo es nur Schwarz und Weiß, ganz richtig oder ganz falsch, Sünde oder Erlösung zu geben scheint. Jede_r muss den eigenen Weg finden. Am Anfang dachte ich nur 'hilfe, all meine Wollsocken' und 'oh, die Daunendecke muss ich sofort wegtun, sonst betrüge ich' (wen auch immer....) und 'shit, doch aus Versehen Tabletten mit Lactose erwischt'. Inzwischen sehe ich das alles eher als Prozess - es gibt so viel zu lernen (Essig kann unvegan sein??), abzuwägen (Lederschuhe auftragen oder wegtun? ich tendiere dazu, Konsum einzuschränken, also auftragen) usw. Ja, auch ich hatte unbewusst Angst vor dem, was manche die 'Veganpolizei' nennen. Wobei das ja nicht immer andere Veganer_innen sein müssen, sondern gerne auch Omnis oder Vegetarier ("hah, du hast ja einen Wollschal an, erwischt!"). Nun versuche ich, auf mein Gefühl zu hören - und trage meine selbstgestrickten Socken weiter, ebenso die Lederschuhe, bis sie kaputtgehen, und ich tue mir so lange Honig in den Tee, bis das Glas leer ist. Wenn ich wo eingeladen bin u. ich merke, dass sich der Gastgeber wirklich viel Mühe mit vegan kochen gegeben hat, werde ich nicht erstmal die Essigflasche checken, ob der auch vegan ist und dann Stress machen. Ich will den Leuten um mich rum vorleben, dass das Leben so Spaß machen kann u. man nicht sofort zum Teufel gejagt wird, wenn man einen Fehler macht oder eben abwägt, sondern dass die gute Absicht zählt. So würde ich mir übrigens auch Religionen wünschen, aber das ist ein anderes Thema :)

Montag, 5. September 2011

Selbstüber(unter?)schätzung

Heute habe ich was gemacht, was ich gerade bereue. Parmesan über meine Spaghetti gemacht. So Kuhkäseparmesan, so richtigen. Und das auch noch bewusst. Das eingeschweißte Stück Parmesan liegt seit bestimmt 2 Monaten in meinem Kühlschrank, noch aus der vorveganen Phase. Offene Nahrungsmittel habe ich damals weggeworfen, aber den Käse, ja, da hab ich noch überlegt, ob ich ihn verschenke - oder mich nicht so anstelle und ihn einfach noch esse. Denn mir ist es ja eigentlich wichtig, dass ich vegan nicht aus Geschmacksgründen wurde, sondern aus einer ethischen Einstellung heraus, und dass ich, selbst wenn ich die nächsten 50 Jahre den Geschmack von Wurst, Käse und einem Frühstücksei vermissen sollte, dennoch kein Recht hätte, diese Sachen auch zu essen, weil Tiere dafür gequält werden. Vegan sein ist für mich jedoch auch mit Konsumkritik verbunden, weil ich glaube, dass die kapitalistische Logik mit ein Grund für die Ausbeutung nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren ist. Wie kann ich aber mit einer konsumkritischen Einstellung rechtfertigen, ein an sich noch essbares 'Lebensmittel' wegzuwerfen oder wegzugeben, das ich vor einigen Wochen noch ohne zu zögern verspeist hätte? Seit meiner Entscheidung, vegan zu leben, habe ich mir Hefeflocken auf die Spaghetti gestreut, und es hat mir gut geschmeckt und sich richtig angefühlt. Dennoch habe ich heute das Projekt Parmesan verwerten in Angriff genommen und den Käse über die Tomatensauce geraspelt, um mir selbst zu beweisen, dass es nicht um Geschmack geht. Und dennoch wurde mir schlecht. Der Geruch. Wie der Käse sich in meinen Händen angefühlt hat. Wie meine Hände danach rochen. Ich war kurz davor, den ganzen Teller in den Müll zu kippen. Dann habe ich die Spaghetti doch gegessen, mit dem Käse. Danach bin ich in die Küche und habe das restliche Stück Parmesan in den Müll geschmissen. Jetzt war es ja eine angebrochene Packung, so meine tolle Rechtfertigung vor mir selbst, und die kommen weg. Das Projekt Resteverwertung als konsumkritische Aktion ist hiermit abgeschlossen. Bäh.

Von omni zu vegan: die Entscheidung

Vor einigen Wochen fiel mir in der Bibliothek durch Zufall ein Buch über das Verhältnis von Tieren und Menschen in die Hände. Nein, weder Karen Duve noch Jonathan Safran Foer, sondern 'Noahs Erbe. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen' von Richard David Precht aus den 1990er Jahren. In dem Buch geht es nicht um das Thema Ernährung, sondern eher aus einer philosophischen Perspektive um die Kategorien 'Mensch' und 'Tier'. Precht zeigt, wie Menschen 'Tiere' als etwas, das anders ist als sie selbst, konstruieren, um somit zu legitimieren, über Tiere zu verfügen. In Kapiteln über Speziesismus, Tierethik, Tierrechte, die gesetzliche Lage, Tiere in Philosophie und Religionen legt er die Grundlagen für die letztendliche Frage: Was tun?



Als ich das Buch fertiggelesen hatte, war mir schon klar, dass ich zumindest irgendetwas tun muss. Ich habe schon immer viel über Ernährung und Gesundheit nachgedacht und gelesen, und da ich eine Zeit lang sehr viel Sport getrieben habe, hatte ich seit ca. 3 Jahren eine gewisse Proteinfixiertheit, sprich: Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier waren das Gerüst meiner Ernährung. Ernährungsumstellungen an sich sind mir also wohlvertraut.

Der Unterschied diesmal war jedoch, dass ich plötzlich kapierte, dass es hier gar nicht um mich geht, nicht um meine persönliche Gesundheit, sondern viel abstrakter um die Frage, ob ich, Gesundheit hin oder her, überhaupt das Recht habe, dass andere Lebewesen für mich leiden und sterben müssen, nur weil mir mein Rumpsteak und meine Milch im Müsli so gut schmeckt und vielleicht sogar ganz gesund ist. Ich schreibe an der Uni gerade eine Arbeit, in der es viel um Rassismus geht, und die Argumentationslinien in Bezug auf Tiere, also speziestische Begründungen für die Ausbeutung von Tieren, waren auf einmal erschreckend ähnlich für mich.

Mir haben Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte bis dahin immer gut geschmeckt, und ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die seit ihrer Kindheit Tiere heiß und innig lieben und sie schon aus Sentimentalität nicht essen könnten. Ich habe nichts gegen Tiere, nur habe ich mich bisher nicht ausgiebig mit ihnen beschäftigt (was sich gerade beginnt zu ändern). Aber ich habe ja auch nicht das Recht, einen Menschen, den ich nicht heiß und innig liebe, umzubringen und aufzuessen, warum also ein Tier?

Da ich mir also weder überlegen musste, ob ich Tiere jetzt gerne mag oder nicht, noch, ob mir Tierfleisch, Milch und Eier schmecken oder nicht, weil das plötzlich irrelevant war, war es ganz einfach, die Entscheidung zu treffen und zu sagen: es ist falsch und gerade in einem Umfeld, wo es so leicht ist, sich anders zu ernähren, noch viel falscher, Tiere für meinen privaten Genuss zu töten.

Deshalb wurde ich fast von einem auf den anderen Tag vegan und lebe damit nun seit fast einem Monat wunderbar. Je mehr ich nun in den letzten Wochen angefangen habe, aktiv über die Massentierhaltung, Speziesismus und Veganismus als ethische Haltung zu recherchieren, desto überzeugter bin ich von der Richtigkeit und Alternativlosigkeit meiner Entscheidung - und desto glücklicher bin ich darüber, dass all diese Fragen zwar spät, aber nicht zu spät in mein Leben getreten sind. Über dieses 'neue' Leben möchte ich hier auf diesem Blog berichten, meine Gedanken teilen und sicher ab und zu auch mal ein Rezept - denn veganes Essen schmeckt TOLL :)